Der Mangel an Individualität und Spiritualität als Ursache von vielfachen Suggestionen und Spaltungen.

Wir erleben in erschreckend progressiver Weise in vielen Bereichen unserer Kultur eine regelrechte Entindividualisierung - sei es in der Arbeit oder auch in der Unterhaltungsindustrie. Der Massenmensch oder auch einseitige Genussmensch prägt unsere Zeit. Wir sind vielfach entweder müde, träge oder auch rastlos geworden, auf der Suche nach fortwährenden Reizen, Steigerungen oder Betäubungen, um unser Dasein vor der eigentlichen Leere und fehlenden Sinnhaftigkeit auszuweichen - oder um schlichtweg unsere Zufriedenheit alleinig in und durch die Materie zu finden.

Die Coronazeit machte sehr anschaulich, wie sehr der einzelne Mensch sich meist angstgetrieben vom Kollektiv vorgegeben manipulieren lässt. Der moralisierende Imperativ war vorgegeben und wer von der gängigen Meinung abwich war zumeist Feind oder Bedrohung oder, wie man die Begriffe instrumentalisierte: Verschwörungstheortiker oder Schwurbler. Menschen die oft friedfertig zu einer anderen Meinung tendierten wurden ausgegrenzt und diffamiert. Spaltende Prozesse durchzogen unsere Kultur und sie tuen es weiterhin.

Es ist gerade der fehlende Mut und die fehlende Eigenaktivität zu wirklich selbst getätigter Anschauung der Umstände, die allzu viele der bequemen Fremdbestimmung überließ. Andersdenkende wurden fortwährend in polarisierender Weise entwürdigt. Dies aber trifft leider vielfach auch auf 'beide Seiten' zu. Wie sehr erschraken mich die nicht enden wollenden Interentdiskussionen, in denen Jeder oder Jede meinte, dem Anderen seinen doch so verkehrten Standpunkt um die Ohren hauen zu müssen.

Wo aber war das verbindende Dritte, die Bemühung den Standpunkt des Anderen zu verstehen, Brücken zu bauen. es blieb zumeist polar und ausgrenzend und damit trennend. Das trennende Prinzip ist ein Ausdruck und Signatur unserer materialistischen Zeit. Es fehlt der erwähnte Mut zur Individualität und ja, es fehlt die tiefere Sinngebung, die Spiritualität - dies wie auf der anderen Beitragsseite bereits dargestellt, in transformierender Durchdringung. Dieses so mächtig trennende Prinzip ist Ausdruck einer sterbenden Kultur, die regelrecht im sinnlosen Materialismus erstickt. Aber auch eine Spiritualität, die nur nach den Prinzipien des gewohnten Konsums passiv in sich aufgesogen wird, wirkt nicht minder trennend und fördert den Materialismus. Es braucht tatsächlich beides: Den Mut zur Individualität, welche lernt auf Spiritualität oder auch auf den anderen Menschen in nicht konsumierender oder nutznißerischer Weise zuzugehen. Der Mensch ist dazu aufgerufen selber aktiv zu werden und aktivere, sinnstifentende und wirklich wahrnehmde Beziehungsformen entdecken und gestalten zu lernen. Der Mensch ist ein schöpferisches Wesen und die große Krise unserer Zeit ist ein mächtiger Aufruf zur tieferen Entwicklung einer wahren und substanzvollen Moralität, die aber wohl erst aus Leid und Verlust des Bisherigen neu entdeckt und gefunden werden muss.

Der Mensch möchte seine eigenen Kräfte finden und entwickeln lernen und er möchte darüber hinaus sich zu einer tieferen, authentischen Sinngebung aufschwingen - dies wäre tatsächlich die verbindende, nicht konsumierbare Spiritualität, die aus dem Innersten des Menschen selbst auf neue und verbindende Weise geboren wird. Dann erlebt sich der Mensch in authentischer und hoffnungsvoller Entwicklung. Seine Bindungen und manche passiv übernommenen Gewohnheiten wird er vielfach dabei auf oft schmerzhafte Weise zurücklassen und durch eine größere Eigenverantwortlichkeit ersetzen müssen. Es ist ein Sterben um zu Werden.